Was hat Wandern mit Yoga zu tun? Sehr viel – wie alles im Leben, das man mit Achtsamkeit ausführt. Man strengt sich an, gibt sein Bestes, achtet auf sich und das, was im Inneren und Äußeren geschieht – und wird reich beschenkt… Was ich von meiner ersten Streckenwanderung an „Geschenken“ mitgebracht habe…

Sonntag vor zwei Wochen haben wir unsere Rucksäcke mit dem Allernötigsten gepackt und haben uns auf den Weg gemacht. Das „Allernötigste“ ist ernst gemeint. Zwei T-Shirts und eine Hose zum Wechseln (natürlich auch Unterwäsche), ein Fleece und ein Regencape für den „Notfall“, ein zweites Paar Schuhe, wenn man mal die Wanderstiefel ausziehen „darf“, Zahnbürste, Wanderkarten, internetfähiges Handy… und nicht viel mehr. Aber auch das Wenige hat sich irgendwann (viel zu früh…) ganz schön deutlich in den Schultern bemerkbar gemacht…

Und der Weg? Der Weg, der gleichzeitig das Ziel war: der Rheinsteig, im UNESCO Welterbe „Oberes Mittelrheintal“. Unsere geplante Strecke sollte von Koblenz bis Rüdesheim gehen. Aber die offizielle Parole lautete: Mal sehen, wie weit wir kommen…

Wir fuhren also mit dem Zug bis Koblenz, was schon die erste Herausforderung war: Denn am helllichten Sonntagnachmittag war der Regionalexpress pickepacke voll, so dass wir nur noch „Stehplätze“ im Gang bekamen. Das war gleich die erste „Prüfung“ für meine „Yogi-Haltung“… Ich denke, ich habe keine Note „Sehr gut“ verdient, aber ich habe mir viel Mühe gegeben, ruhig und gelassen zu bleiben und mir die gute Laune und Vorfreude nicht verderben zu lassen.

In Koblenz angekommen, merkten wir dann doch sehr bald, dass unser Wanderabenteuer unter einem guten Stern stand: Das erste, was uns begegnete, war ein gemütliches Nachbarschaftsfest am Rheinufer, mit Wein- und Sektständen, Livemusik und gut gelaunten Menschen bei strahlendem Sonnenschein.

Das zweite Highlight war die Jungendherberge in der Festung Ehrenbreitstein. Wir mussten dafür zwar schon den ersten steilen Berg erklimmen, aber die Mühe hat sich wirklich gelohnt. Eine moderne und freundliche Herberge in den alten Festungsgemäuern, ein herrlicher Blick über den Rhein und das „Deutsche Eck“ – und ein leckeres Weizenbier zum Sonnenuntergang…

Dann am nächsten Morgen ging es los. Insgesamt 150 Kilometer bergauf-bergab, durch wunderschöne grüne Eichenwälder, Weinberge, Felder und Wiesen. Vorbei an mittelalterlichen Burgen und Ruinen und mitten durch kleine Orte, die sich zwischen den Rhein und die steilen Felsen schmiegen – und noch Platz lassen für die ewig gegenwärtige Schnellstraße B42 und die noch gegenwärtigere Bahnstrecke – wo man das Gefühl bekommt, hier läuft die Zeit ein bisschen langsamer… Wir sind wenigen, aber durchweg netten Menschen (und Tieren!) begegnet und haben gutes, einfaches Essen und wunderbaren Wein genossen. Unsere Unterkünfte waren einfach bis sehr einfach und einmal auch total luxuriös, so wie es gerade kam. Das Wetter war perfekt zum Wandern, nicht zu warm, nicht zu kalt –nur einmal wurden wir von einem Gewitter mit anschließendem kurzen Regen erwischt.   Und der Muskelkater war heftig, nach den Pausen beim Aufstehen sogar sehr heftig, aber erträglich  und nach drei Tagen vergessen.

Ja, wir haben es geschafft. Am 10. Tag – nach 7 ½ Tagesetappen kamen wir in der Abtei St. Hildegardis bei Rüdesheim an. Wir haben in der wunderschönen Kirche ein Licht angezündet und im Abteiladen ein Mitbringsel erstanden, und dann sind wir zufrieden und glücklich nach Hause gefahren. Leider nicht wie geplant mit dem Schiff, sondern mit dem Zug. Aber dafür waren wir dann früher zuhause.

Was ich „geschenkt“ bekommen habe:

  • wunderschöne, stille Erlebnisse in traumhafter Landschaft. Quasi direkt vor unserer Haustür
  • Vertrauen – in meinen Körper, der viel besser funktioniert als ich es ihm zugetraut habe
  • Freude, Glück, Liebe, die einfach von innen kommen und das Herz erwärmen
  • Erkenntnis: Müdigkeit und Erschöpfung entstehen meist „nur“ im Kopf. Wenn man das „richtige“ tut, dann ist alle Müdigkeit verflogen
  • Gemeinschaft, die keine großen Worte benötigt
  • Reichtum, der nichts mit Geld und Dingen zu tun hat

Dafür gibt es nur ein Wort: DANKE.