Fasten!? – Das ist nichts für mich! Das ist nur was für ganz Disziplinierte… Mein Gott, das kann ich meinen Mitmenschen nicht antun. Poah, bist Du eisern…

Solche und ähnliche Sprüche höre ich jedes Jahr um diese Zeit. Wenn ich mich im Frühjahr auf meine Fastentage einstimme und deswegen den einen oder anderen Termin verschiebe. Ich muss dann immer wieder schmunzeln, denn ich gehöre weiß Gott nicht zu den diszipliniertesten Menschen dieser Erde! Warum ab und zu verzichten gar nicht weh tut und man am Ende durch den „Verzicht“ mehr gewinnt als verliert, darum geht es heute in diesem Beitrag.

Wenn Du weiterliest, verstehst Du, warum sich alle Jahre wieder in der Fastenzeit Menschen – egal ob religiös motiviert oder nicht – entschließen, eine Zeitlang auf Liebgewordenes zu verzichten. Was das mit Achtsamkeit zu tun hat, und wie sich diese Erkenntnisse in den Alltag retten lassen. Am Ende gibt es noch eine einfache Achtsamkeitsübung, die Du sofort umsetzen kannst – und ein Aha-Erlebnis 😉

Ich bin ein ziemlicher Genussmensch. Und bequem dazu. Ich liebe es, mit einem Glas Wein auf der Couch zu sitzen und einen schönen Krimi zu lesen. Oder die Sommerabende in den unzähligen Straußwirtschaften hier in der Umgebung zu verbringen. Um das Essen und den Wein genießen zu können, brauche ich auch nicht extra mit dem Fahrrad hinzufahren.

Zu meinem „täglichen“ (?) Bewegungsprogramm (Laufen, Yoga) muss ich mich oft sehr überwinden, häufig finde ich auch gute Ausreden.

Warum nehme ich es ein- bis zweimal im Jahr auf mich, einige Tage völlig auf feste Nahrung zu verzichten? Und fühle mich dabei fit, bin gut gelaunt und aktiv wie nie?

Das ist das Geheimnis des freiwilligen Verzichtens!

Wie es biologisch dazu kommt, dass man tatsächlich keinen Hunger während der Fastentage verspürt, das soll hier nicht das Thema sein. Interessant ist, wie sich alles verändert, wenn man sich mental darauf einstellt.

Worum geht es beim Fasten?

Das Fasten findet sich in allen spirituellen Richtungen und wird regelmäßig zu Beginn des Frühlings und des Winters durchgeführt. In der christlichen Tradition wird meist zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag gefastet. Manche fasten auch vor oder während der Adventszeit. Im Allgemeinen handelt es sich bei dieser Art des Fastens um den Verzicht auf Fleisch bzw. üppiges Essen im Allgemeinen, Süßes und Alkohol oder Zigaretten. Mittlerweile hat sich auch durchgesetzt, auf andere Dinge zu verzichten, wie zum Beispiel das Fernsehen, Internet, Computer, Fahrstuhl, Auto…

Allen Fastentraditionen liegt der Wunsch nach Einkehr, innerer Reinigung und Besinnung auf das „Wesentliche“ – was auch immer das für den Einzelnen bedeutet – zu Grunde.
Um sich auf die bevorstehenden Festtage vorzubereiten – Ostern oder Weihnachten, oder einfach den Frühling!

Es muss ja nicht gleich meine radikale Form des Verzichts auf feste Nahrung sein. Nehmen wir einfach mal den Verzicht auf Rolltreppen und Fahrstühle. Stattdessen gehen wir zu Fuß die Treppen hinauf und hinab. Alle. Ohne Ausnahme. Das mag sich in den ersten paar Tagen furchtbar anfühlen. Irgendwann legst Du Dir vielleicht Strategien zurecht, die es Dir leichter machen. Du zählst die Stufen oder belohnst dich für jeden Tag, den Du durchhältst.

Mit jedem Tag wird es leichter, Du fühlst Dich leichter! Und das ist eher nicht auf die verbrauchten Kalorien zurückzuführen. Nein, Dir wachsen Flügel, irgendwie. Es fühlt sich gut an, den inneren Schweinehund zu überwinden, mit den Gewohnheiten zu brechen, die Dir schon gar nicht mehr bewusst sind.

Und da sind wir beim Wesentlichen: Du machst es anders. Anders als sonst. Das fühlt sich gut an.

Mit jedem Tag wächst Du ein Stück mehr über Dich hinaus und trittst heraus aus Deinem eigenen Schatten. Bald ist jeder Fahrstuhl, jede Rolltreppe, die Du „links liegen“ lässt, ein Dämon, den Du besiegt hast. Ein Dämon in Deinem Inneren, der Dich vielleicht an noch ganz anderen Dingen hindert.

Komisch ist, je weiter die Fastenzeit fortschreitet, desto leichter fällt es Dir, die Treppe zu nehmen. Vielleicht liegt es an den neuen Muskeln, die Du schon spüren kannst, vielleicht aber auch an Deiner neu gewonnenen Haltung: Du streckst Dich, richtest Dich auf, nimmst die Treppen (und so manche andere Herausforderung) mit einem Lächeln und weißt:

Wenn ich diesen Dämon besiegen kann, dann kann ich noch viel mehr schaffen!

Übung: Achtsam die Treppen steigen

Wenn Du das nächste Mal die Treppe nimmst, versuche einmal, dies so achtsam wie möglich zu tun. Lasse Dich dabei nicht ablenken, keine Musik aus dem Ipod, keine Telefonate, keine Gespräche. Achte genau auf Deine Bewegungen. Welche Muskeln bewegen sich? Wie lagert das Gewicht auf den Fußsohlen? Wie fühlt es sich an, Dein Körpergewicht mit einem Fußballen zu tragen und sogar anzuheben? Welche anderen Körperteile sind an dieser Bewegung beteiligt? Wie ist Deine Haltung? Welche Emotionen kannst Du wahrnehmen?

Nimm alles wahr, ohne es auch nur im Geringsten zu bewerten oder gar zu kritisieren. Schau Dir einfach beim Treppensteigen zu. Nimm wahr, was in Deinem Körper, Deinem Geist und Deiner Seele passiert.

Das Aha-Erlebnis? Probier’s mal selbst aus und Du wirst sehen!

Das funktioniert, garantiert! Und nicht nur beim „Fahrstuhlfasten“. Wenn wir uns entscheiden, das „Alte“, Verbrauchte loszulassen, uns von alten Gewohnheiten lösen, dann fühlen wir uns frei, leicht und fast unbesiegbar. Weil wir uns selbst besiegt haben.

Die Fastenzeit fällt sicher nicht zufällig in die Zeit des Frühlings. Wenn wir innerlich spüren, jetzt erwacht die Natur aufs Neue, wenn wir die Nase sprichwörtlich voll haben vom Mief der überheizten Räume und von der Dunkelheit der letzten Monate. Körper und Geist sind träge geworden in den grauen Monaten, die Seele schwer.

„Ohne den Winter wäre der Frühling doch nur halb so schön. Wahr, oder? Das spüren wir in diesen Tagen ganz deutlich.

Meist riechen wir den Frühling zuerst, lange bevor er sich wirklich zeigt. Irgendwann im Februar/März kommt ein Moment, da bleibt man plötzlich stehen, schnuppert, und weiß: Er kommt. Und dann kann es weiter stürmen und schneien, Du weißt: Der Frühling steht vor der Tür. Und was gibt es Schöneres als die Vorfreude auf den Frühling!? Alles scheint verändert, weil Du weißt, bald ist der Winter vorbei. Auch wenn der Winter kein „echter“ mit Eis und Schnee war.

Wie können wir den Frühling am besten begrüßen? Indem wir es der Natur gleichmachen. Das Alte abwerfen wie die Blätter im Herbst und Frühjahrsputz machen – im Haus und im Garten genauso wie in unserem Körper, unserem Geist und unserer Seele. Dabei hilft das Fasten. Wir machen symbolisch Platz für Neues. Neue Gedanken, neue Gewohnheiten, neue Gefühle.

Der Gewinn: Leichtigkeit und Freude. Frühling im Herzen, auch wenn draußen immer noch Regen und Sturm wüten. Du weißt: Bald ist es soweit. Und Du bist bereit.

Ich wünsche Dir eine erfolgreiche Fastenzeit und einen wunderschönen, leichten freudvollen Frühling!