Nun ist der Sommer endlich da. Mit Pauken und Trompeten – Donner und Gewitter – hat er Einzug gehalten. Dazwischen immer wieder mit glasklaren Sonnenstunden, dass man vor Freude hüpfen und jubeln möchte. Mein Juni-Beitrag dreht sich ganz um dieses Thema: Was bedeutet Sommer für uns? Was können wir von ihm lernen? Und wie können wir das, was der Sommer uns schenkt, in unserem Leben und in unserem Alltag verankern?

In meiner Erinnerung hat es im Sommer eigentlich nie geregnet. Oder wenn, dann waren es richtig spektakuläre Gewitter, bei denen Hagelkörner wie Tennisbälle vom Himmel fielen. Langweilige Dauerregen kommen nicht vor in meiner Erinnerung. Der Sommer fing irgendwann um Ostern an, wenn die Zeit der dicken Strumpfhosen (ja, das waren damals noch Wollstrumpfhosen zum Kleidchen…) endlich vorbei waren und wir Kinder mit nackten Beinchen draußen spielen durften. Und gespielt wurde nur draußen. Immer. Und immer bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Und natürlich dauerte diese Pracht bis spät in den Oktober hinein.

Irgendwann drehte sich das Bild. Mal ehrlich – es gibt doch seit Jahren keinen „richtigen“ Sommer mehr, oder? Immer, wenn man sich gerade etwas Schönes vorgenommen hat, regnet es. Wie viele Grillfeste, Open Air-Konzerte und Fahrradtouren sind in den letzten Jahren schon sprichwörtlich ins Wasser gefallen? Naja, und wenn dann doch mal kurz die Sonne scheint, dann müssen wir ja arbeiten und kriegen nichts davon mit. Alles blöd! Warum gibt es keine richtigen Sommer mehr, wie in unserer Kindheit? Liegt es am Klimawandel, der Erderwärmung, El Nino?

Oder haben WIR uns verändert? Und wenn ja, was ist anders?

Was bedeutet Sommer für Dich? Für uns alle? Lebensfreude, Licht, Sonnenschein, Party, draußen sein, Laufen, Radfahren, Beach Volleyball… Diese Liste kann beliebig verlängert werden. Wenn Du magst, schreibe einmal für Dich auf, was Du persönlich mit Sommer verbindest. Sicher sind es lauter Dinge, die mit Lebensfreude und Spaß zu tun haben. Vielleicht mischen sich auch schöne Erinnerungen hinein, von früheren Sommern, als wir jünger waren und das Leben sich irgendwie leichter angefühlt hat? Licht, Energie, Leichtigkeit…

Und wenn es regnet? Was fühlen wir, wenn es regnet? Nicht bei diesen wütenden Gewittern, von denen wir wahrscheinlich noch unseren Enkeln und Urenkeln erzählen werden, sondern bei diesen grauen, faden, langweiligen verregneten Tagen, die sich hierzulande ja offensichtlich immer mehr einnisten. Trägheit, Dunkelheit, Langeweile, Dumpfheit…

Das ist verständlich und natürlich: Es fällt leichter, sich „leicht“ zu fühlen, wenn draußen der Sommer lacht. Aber mal ehrlich: was macht den Sommer zum Sommer? Ein paar Spalten im Kalender? Der Wetterbericht? Ein gelungenes Open-Air-Konzert? Das sind doch nur Randerscheinungen. Der Sommer ist nicht mehr und nicht weniger als eine Phase im Zyklus der Natur. Und das auch nur in den Regionen der Erde, die kontinentales Klima haben. Andere Regionen kennen keinen Sommer, so wie wir ihn erwarten. Oder kennen nur „Sommer“ und sehnen sich nach erholsamer Kühle und Regen.

Wir waren vor Jahren einmal auf eine Hochzeit eingeladen. Es sollte – wie immer – eine absolut perfekte Hochzeitsfeier sein, das Brautpaar hat sich alle erdenkliche Mühe gemacht, diesen Tag wirklich zum Schönsten ihres gemeinsamen Lebens zu machen. Die Trauung und Feier fand in einem wunderschönen Weingut statt, und es waren viele nette Gäste angereist gekommen. Aber… es regnete an diesem Tag von morgens bis nachts wie aus Eimern! Schwarze Wolken hingen am Himmel, der Hof ertrank im Schlamm, die Hochzeitsfotos waren grau in grau – und was das Schlimmste war: die Braut konnte nicht ein einziges Mal lächeln. Ein heulendes Elend im weißen Brautkleid. Weil es regnete. Es war so ein trauriges Bild… Die Versuche, sie aufzumuntern, waren vergeblich. Der schönste Tag in ihrem Leben war buchstäblich ins Wasser gefallen.

Diese Geschichte erzähle ich, um deutlich zu machen, welche Macht unsere Gedanken und Erwartungen haben. Am Samstag wollen wir grillen, also brauchen wir schönes Wetter. Und wenn das Wetter nicht mitspielt, dann ist alles Mist. Und der Sommer ist keiner. Dabei hat von Montag bis Donnerstag die Sonne geschienen. Was haben wir draus gemacht? Nichts. Vielleicht im Büro gemeckert, weil es zu heiß ist und die Klimaanlage nicht funktioniert.

Als Kinder hatten wir noch die Fähigkeit, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Und uns an die schönen Erlebnisse zu erinnern. Ist uns diese Fähigkeit abhandengekommen? Wäre unser Leben nicht reicher und glücklicher, wenn wir es wieder lernen könnten?

Hier setzt die Achtsamkeitslehre an. Eines der wichtigsten Prinzipien von Achtsamkeit ist Akzeptanz, die Fähigkeit, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Wahrnehmen und annehmen, ohne zu bewerten oder gar zu kritisieren. Und am besten alles so betrachten, als wäre es das erste Mal. Wie ein Kind. Im Achtsamkeitstraining heißt das „Anfängergeist“.

Um das zu üben, brauchst Du Dich nicht in einen stillen Raum auf dein Meditationskissen zurückzuziehen. Gehe hinaus, am besten jetzt gleich, und betrachte die Umgebung mit den Augen eines Kindes. Betrachte die Wolken am Himmel – welche Bilder formen sie? Denke nicht daran, ob sie Regen bringen oder nicht, das wird sich noch früh genug zeigen. Schau einfach dem wunderbaren Spiel der Wolken zu. Und wenn es keine Wolken gibt, dann spüre die Wärme der Sonne auf Deiner Haut. Betrachte die Gesichter der Menschen, die Farben ihrer Kleidung, die Art, wie sie miteinander umgehen. Aber Achtung: Sobald Du merkst, dass Du nicht mehr nur betrachtest, sondern anfängst zu bewerten, dann höre ganz bewusst damit auf und komme zurück in den „Anfänger-Modus“. Du wirst sehen, selbst der Weg vom Büro zum Bahnhof wird auf einmal bunt und abwechslungsreich.

Und das nächste Grillfest? Bau doch einfach vor. Erwarte nicht nur Sonnenschein, sondern erwarte, was „möglich ist“. Stell einen Schirm oder Pavillon auf und richte Dich auf „alle Wetter“ ein. Plane den Wolkenbruch mit ein, dann bist du nicht enttäuscht.

Ich bin sicher, von der nächsten Grillfete wirst du noch lange erzählen… Ich wünsche Dir einen schönen Sommer, mit allem, was dazu gehört!

Deine Bärbel