Nein, heute geht es nicht um Jesus und die Ostergeschichte. Auch wenn es zur Jahreszeit passen würde. Es geht um den ganz alltäglichen Wahnsinn in der heutigen Zeit… Auch wenn es bei mir jetzt fast auf den Tag genau 2 (zwei!) Jahre her ist, dass ich dem tagtäglichen „Immer-höher-schneller-weiter“ den Rücken gekehrt habe – es gibt Momente, in denen das Gefühl wieder sehr präsent wird.
Zum Beispiel immer, wenn ich das Lied von Tim Bendzko höre… Es hat zwar auch schon einige Jährchen auf dem Buckel, aber die Worte triggern mich immer noch an, vor allem diese: “… Irgendwie bin ich spät dran, fang schon mal mit dem essen an. Ich stoß dann später dazu. Du fragst wieso weshalb warum, ich sag wer sowas fragt ist dumm. Denn du scheinst wohl nicht zu wissen was ich tu.“

Denn darin spiegelt sich die typische Selbstüberschätzung des Einzelnen (seiner Aufgabe und Bedeutung für das „Große Ganze“) wider – und damit verbunden auch eine gewisse Missachtung der Anderen und ihrer Aufgaben. Leider geschieht so etwas wirklich im „echten Leben“. Gerade, wenn die Arbeitsbedingungen schwerer werden, stellt sich leider keine Solidarisierung untereinander, sondern eher eine Art Hackordnung ein. Die Kollegen werden als Gegner betrachtet. Familienangehörige und Freunde wandern in den Hintergrund. Und man tut sich selbst dabei am meisten weh.
Dieses Phänomen hat einen Namen – sogar zwei – in Fachkreisen, das ist schon ein weiteres Indiz dafür, dass es kein Einzelfall ist: Interessierte Selbstgefährdung oder Indirekte Steuerung.


Ich habe es in meinem letzten Beitrag bereits kurz erwähnt. Aber diese Erscheinung ist so gefährlich und perfide, dass ich ihr einen eigenen Artikel widmen möchte. Worum geht es?

Nur kurz die Welt retten…??!

Wir reden hier von einer Tendenz bei vielen Führungskräften, aber auch „normalen“ Beschäftigten, von sich aus Dinge zu tun, die sich auf Dauer negativ auf ihre eigene Gesundheit auswirken können. Zum Beispiel jeden Tag Überstunden machen. Auch am späten Abend, am Wochenende oder sogar im Urlaub erreichbar sein. Trotz Krankheit oder Beschwerden arbeiten. Und leider auch immer wieder Freizeitaktivitäten reduzieren, Familie und Freunde vernachlässigen. Weil keine Zeit und Energie mehr übrig ist. Die eigene Aufgabe, der eigene Erfolg oder der des Teams wird in einem Maße überbewertet, dass man zum Teil über die Grenzen der eigenen Belastbarkeit hinausgeht und sich selbst, d.h. seine eigene körperliche und seelische Gesundheit gefährdet.

Als Beschäftigter wie ein selbständiger Unternehmer handeln

Die Ursache dieser Entwicklung wird von Fachleuten in einem neuen Managementkonzept gesehen, das in seiner Grundidee eigentlich als positiv zu betrachten ist: Es besteht darin, das Engagement und die Energie von „Selbständigen“ auf die Mitarbeiter zu übertragen. Sie sollen „unternehmerisches Denken und Handeln“ einbringen, also so agieren, als wären sie selbständige Unternehmer, ihre ganze Energie und Kreativität in den Erfolg des Teams/des Unternehmens investieren. Die Ziele und auch Probleme des Unternehmens werden zu ihren eigenen Zielen und Problemen.
Sichtbar wird dieses Managementkonzept in der Leistungsbewertung: Neben Qualität und Quantität der eigenen Leistung werden Mitarbeiter und Führungskräfte häufig auch am Gesamtergebnis des Unternehmens gemessen. Dies führt dazu, dass man sich dann auch über das „normale“ Maß hinaus für die Ziele der Organisation einsetzt.

Die Kehrseite der Medaille

Wie gesagt: Die Förderung der Eigeninitiative und Kreativität ist absolut als Fortschritt zu betrachten, darüber sind sich auch die Experten einig. Und die damit verbundene Steigerung der Produktivität und sicher auch des Engagements, der Motivation der Einzelnen ebenso. Allerdings muss man sich umso intensiver mit den ungewollten Nebenwirkungen beschäftigen und rechtzeitig entgegensteuern. Denn die Folgen sind nicht nur für die einzelnen Mitarbeiter schmerzhaft…

Eine „fast wahre“ Geschichte

Herr Meier ist Controller in einem Logistikunternehmen. Er leitet ein Team von 20 Mitarbeitern. Vor einem halben Jahr wurde im Management entschieden, mit einem anderen Logistikunternehmen zu fusionieren. Das Projekt ist in vollem Gange.

Neben seinen „normalen“ Aufgaben muss Herr Meier nun auch einige zusätzliche Aufgaben für das Fusionsprojekt übernehmen. Seine Analysen sind Grundlage für wichtige Entscheidungen des Managements im Rahmen des Prozesses. Um die Zahlen rechtzeitig vorzulegen, verlangt Herr Meier nicht nur enorme Leistungen von sich selbst, sondern setzt auch seine Mitarbeiter stark unter Druck. Die gerade grassierende Grippewelle wird ignoriert. Im Büro wird geschnäuzt und geschnieft, was das Zeug hält. Mit Mühe und Not schafft er es, seine Zahlen kurz vor der Deadline abzuliefern. Gleich danach erleidet er einen Hörsturz.

Ein halbes Jahr später stellt sich im Rahmen eines Audits heraus, dass einige seiner abgelieferten Zahlen fehlerhaft waren und die Unternehmensleitung aufgrund dessen schwerwiegende Fehlentscheidungen getroffen haben. Herr Meier muss die Konsequenzen ziehen und das Unternehmen verlassen.

Seinen Tinnitus wird er nicht wieder los.


Diese Geschichte – die frei erfunden ist, aber sich dennoch genau so oder ähnlich in vielen Unternehmen abspielen könnte – zeigt, wie schnell man in diese Falle hineingeraten kann und wie schwerwiegend die Folgen sein können.

Was kann man tun?

Da sind natürlich zunächst die Führungskräfte gefragt. Sie sollten mit guten, d.h. gesundem Beispiel vorangehen und jegliche Form von „Selbstausbeutung“ der Mitarbeiter im Keim ersticken. Vor allem aber sollten sie ihre Mitarbeiter ermutigen, auf ihre eigenen Grenzen zu achten. Und nicht etwa immer nur die „Fleißigen“ loben.
Als Mitarbeiter selbst brauchst Du mitunter viel Mut und Zivilcourage, um dem Druck wirklich standhalten zu können. Das bedeutet nicht, dass Du von jetzt an nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen sollst. Nein, es ist schön, mit Spaß und Engagement an die Arbeit zu gehen. Es fühlt sich toll an, gebraucht zu werden, sich mit seinem Wissen und seiner Erfahrung einbringen zu können. Dafür gibt man gerne auch mal ein bisschen mehr. Aber Achtung: Mal. Achte darauf, dass zwischen den Phasen des absoluten Engagements, etwa in der Zielgeraden eines Projekts – auch immer wieder ruhigere Phasen kommen. Dass Du dich in Deiner Freizeit erholst. Dass Du Dir Zeit für die ANDEREN wichtigen Dinge im Leben nimmst. Für die Familie, die Freunde, für Entspannung und Muße, Sport und Hobbies. Die Akkus müssen immer wieder aufgeladen werden. Wenn sie erst vollständig leer sind, ist es vielleicht schon zu spät.


Vielleicht passt es doch ganz gut in die Jahreszeit. Vor uns liegen vier Feiertage. Und draußen „tobt“ der Frühling in all seiner Pracht. Lass‘ doch mal Fünfe grade sein und mach Feierabend. JETZT.
Die WELT wirst Du auch nächste Woche auf diese Weise nicht retten. Es ist „nur“ Arbeit.

Ich wünsche Dir wunderschöne, erholsame, entspannte, fröhliche, sonnige Ostertage!


P.S. Wenn Du herausfinden möchtest, was Dich speziell antreibt und stresst: Vielleicht ist einer unserer Workshops genau das Richtige für Dich.
Und wenn Du gerne einfach mal die Seele baumeln lassen und dabei ganz aktiv etwas Gutes für Körper, Geist und Seele tun möchtest: Versuch’s doch mal mit Yoga.